Ich hatte eigentlich die Idee zu diesem Betrag längst wieder verworfen. Es schien so, als ob die Kuh erst mal wieder vom Eis ist. Und nun doch: USA bombardieren Chemiewaffen-Ziele in Syrien, mit Unterstützung von Frankreich und Großbrittannien. Rußland droht mit Konsequenzen und beschuldigt Großbrittannien.
Glaubt man den Tweets von US-Präsident Trump, so ist nichts mehr auszuschließen. Auch nicht eine direkte Konfrontation mit Rußland auf syrischem Territorium.
Russia vows to shoot down any and all missiles fired at Syria. Get ready Russia, because they will be coming, nice and new and “smart!” You shouldn’t be partners with a Gas Killing Animal who kills his people and enjoys it!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) April 11, 2018
Our relationship with Russia is worse now than it has ever been, and that includes the Cold War. There is no reason for this. Russia needs us to help with their economy, something that would be very easy to do, and we need all nations to work together. Stop the arms race?
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) April 11, 2018
Quelle: Twitter
Damit hat möglicherweise ein großer Krieg seinen Anfang genommen, vielleicht sogar ein Weltkrieg. Wie das bei solchen Kriegen meistens ist, wird er auf dem Territorium von Drittstaaten ausgetragen. Die eigentlichen Kriegstreiber bekommen in der Regel kaum etwas davon mit. Außer vielleicht ein paar in die Heimat geflogene Soldatensärge und Applaus von ihrer Waffenindustrie.
Anlaß (oder nur Vorwand?) war ein Giftgasanschlag auf syrischem Rebellengebiet für den Baschar al-Assads Regierungstruppen verantwortlich sein sollen. Das behaupten jedenfalls einige Nato-Staaten. Der amerikanische Außenminister konnte sich vor dem UNO-Sicherheitsrat lediglich auf den eigenen Geheimdienst berufen. Handfeste Beweise fehlen bisher. Welche Rolle spielen dabei die Weißhelme?
Ähnlich verhält es sich bei der Skripal-Affäre. Da sollen die Russen angeblich einen ihrer Ex-Spione in London vergiftet haben. Mit Nowitschok, einem Nervengift, das eindeutig Russland zugeordneten werden kann und schon längere Zeit nicht mehr hergestellt wird. Auch hier bleiben mehr Fragezeichen als Beweise: Welcher Mörder hinterläßt freiweillig Name und Anschrift am Tatort?
In beiden Fällen wurden politische Konsequenzen aufgrund von Mutmaßungen gezogen, die uns in einen Krieg treiben könnten. Zutreffend hat das Gregor Gysi analysiert, der am Freitag bei MDR Info vor einer Vorverurteilung warnte. Auch ein Beitrag des ARD-Mittagsmagazins [Youtube-Video] weckt Zweifel an der „Faktenlage“ hinsichtlich des Giftgasangriffs in Syrien.
Kann man auf der Grundlage von Vermutungen, mit denen man vor einem Gericht nichts beweisen könnte, legitimerweise einen militärischen Angriff starten? Wenn ich in den letzten Jahren etwas lernen mußte, dann ist das Folgendes: Recht ist in der letzten Konsequenz immer nur Verfügungsmasse politischer Herrschaftsinteressen. Das ist die Bankrotterklärung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten.
Jetzt können wir nur noch hoffen, daß Putin die Nerven behält und die Kriegstreiber gestoppt werden. Kommt endlich zur Vernunft! Die Luftangriffe der USA, Frankreichs und Großbrittanniens bringen im Syrienkonflikt selbst rein gar nichts. Assad wird weder gestürzt noch daran gehindert – sofern man ihn für den Verantwortlichen hält – weitere Giftgasangriffe durchführen zu lassen.
Auch in diesem Fall gilt wieder: Das erste Opfer eines Krieges ist die Wahrheit.
Titelbild: F-22 Raptor II, U.S. Air Force photo by Senior Airman Kaylee Dubois 180404-F-AR942-976.JPG