Von den Medien bestenfalls am Rande beachtet, fanden in Tschechien gestern und vorgestern (20. und 21. Oktober 2017) Parlamentswahlen zum Abgeordnetenhaus statt. In Tschechien gibt es ein aus Senat und Abgeordnetenhaus bestehendes Zwei-Kammer-Parlament.
Bemerkenswert ist, dass die Voraussetzungen für eine Wahl in den Senat – der 1996 zum ersten Mal gewählt wurde – die Hürden etwas höher angesetzt sind. Wer in einem der 81 Wahlkreise für den Senat kandidieren will, muss mindestens 40 Jahre alt sein, von einer Partei vorgeschlagen werden oder mindestens 1000 Unterstützungsunterschriften vor legen. Zudem ist eine Kaution von 20000 Kronen (etwa 780 Euro) zu hinterlegen.
Gewählt werden die Senatoren auf sechs Jahre, wobei im jeweiligen Wahlkreis die absolute Mehrheit erlangt werden muss (Mehrheitswahlrecht). Es erfolgt eine Drittelerneuerung, d.h. aller zwei Jahre wird ein Drittel des Senats neu gewählt, während anderen weiter im Amt bleiben. Da der Senat außerdem nicht aufgelöst werden kann, ist er damit ununterbrochen handlungsfähig. Die Drittelerneuerung war bis 1918 übrigens auch in den deutschen (Bundes-/)Ländern weitgehend üblich.
Der tschechische Senat bekommt alle vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Gesetze vorgelegt. Lehnt er sie ab, müssen sie im Abgeordnetenhaus erneut verhandelt werden. Außerdem ernennt der Senat die Richter der Verfassungsgerichts.
Nun hat in sämtlichen der Wahlkreise die Politische Bewegung ANO 2011 (ANO) die meisten Stimmen bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus geholt. Dass die EU- und migrationskritische Partei des Chemie- und Medienunternehmer Andrej Babiš gewinnen würde, hatte sich bereits in den Umfragen abgezeichnet. Für viele unerwartet war dagegen der Erfolg der Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD), die äußerst knapp hinter der konservativen ODS unmd der Tschechische Piratenpartei (ČPS) viertstärkste Partei wurde. Deutlich vom Wähler abgestraft wurden dagegen Sozialdemokraten und Kommunisten.

Der Erfolg der SPD ist um so beachtlicher, da die Partei erst 2015 vom Tomio Okamura (in Tokio geborener Sohn einer Tschechin und eines Japaners) gegründet wurde. Die SPD hat angekündigt, einen Gesetzentwurf für ein Burkaverbot in Tschechien einzubringen. Andrej Babiš will einen Anti-Zuwanderungsallianz in der EU ins Leben rufen, die sich nicht auf die Visegrad-Staaten Tschechien, Slowakei, Polen, und Ungarn beschränken soll. Dabei hat er Österreich, Slowenien, Kroatien und andere Balkan-Staaten im Blick.
Quellen:
- Seite „Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2017“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. November 2017, 00:45 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Abgeordnetenhauswahl_in_Tschechien_2017&oldid=170705969 (zuletzt abgerufen: 8. November 2017, 12:37 UTC)
- Je sečteno. ANO jednoznačně vyhrálo volby. Babiš nabídl jednání všem stranám (Česká televize)
- Ein Populist ohne Ideologie (Zeit Online)
- Rechtsruck in Tschechien (Tagesschau.de)
- Tschechen-Trump kündigt Anti-Flüchtlingskurs an (Bild)
- Asselborn zeigt Unverständnis für tschechischen Wahlsieger (Der Tagesspiegel)
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